Irma Markulin

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Heldinnen

Irma Markulin (geb. 1982 in Banja Luka, Bosnien & Herzegowina, lebt und arbeitet in Berlin) setzt sich in der Ausstellung ‚Heldinnen’ malerisch mit der postsozialistischen Identität ihres Landes und den Folgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens auseinander.

Die starken politischen Umwälzungen der 90er Jahre, die zu den kriegerischen Auseinandersetzungen und dem Zerfall des Vielvölkerstaates führten, hatten als Folge auch die Tendenz sich vom sozialistischen Kulturerbe und der gemeinsamen Identität loszusagen zu wollen. Unter denen, von den Nationalisten geführten Regierungen der neuen unabhängigen Staaten, verschwanden langsam die bekannten Symbole der Zeit von 1941-1990 aus dem öffentlichen Leben. Einige der bekanntesten skulpturähnlichen Baudenkmäler der Nachkriegsperiode verfielen im Laufe der Jahre. Irma Markulin hat ein Jahr lang eine umfangreiche Recherche zu diesem Thema in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens und deren Archiven, unterstützt durch ein Stipendium der Stadt Berlin, betrieben.

In ihrer aktuellen Ausstellung in Köln thematisiert sie die ‚Heldinnen’ (ein offizieller Ehrentitel vom Staat verliehen nach 1945) jener Zeit - die antifaschistischen Wiederstandkämpferinnen des Zweiten Weltkriegs. - Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten und Berufen und Angehörige aller Ethnien des multikulturellen Staates, die die Ethnonationalisten seit deren politischen Aufstieg in den 1990er Jahren aus der kollektiven Erinnerung systematisch zu verdrängen und zu leugnen versuchten - Frauen, die Seite an Seite mit Männern politisch im Untergrund agiert, und in der Armee gegen die Besatzung gekämpft hatten. Dieses Narrativ im öffentlichen Diskurs hatte seit 1945 maßgeblich die Emanzipation der Frau und ihre gesellschaftlich-politische Akzeptanz des Westbalkans nach 1945 mitbestimmt.

Inspiriert durch ihr Fotografie-Studium an der UDK Berlin bei Katharina Sieverding, und der Malerei bei Anselm Reyle und Antje Majewski, nimmt Irma Markulin alte Archivfotos jener Frauen als Ausgangsmaterial für eine künstlerische Erinnerung. Malerisch virtuos entfaltet sie die zerknüllten Portraits und befreit sie damit symbolisch aus dem Mülleimer der Geschichte. Sie stellt die so entfalteten Fotos in ein erneutes Schlaglicht, indem sie die Aufnahmen in vielschichtige, an Kubismus und sozialistischen Realismus erinnernde Malerei auf Leinwand, umsetzt. Die Portraits fallen überdimensioniert aus, wobei die inhaltliche Auseinandersetzung auch durch die beabsichtigte tiefe Hängung in der Ausstellung, ohne jegliche Überhöhung erfolgt. Dieses Betrachten auf Augenhöhe hinterfragt nicht zuletzt die heutige Relevanz dieser emanzipierten Frauen, für den regional, wie international verorteten Betrachter, aber auch für die neu geformten Gesellschaften der Region, die die „Heldinnen“ aus der kollektiven Erinnerung zu streichen versuchen. Dieses bewusste Verdrängen/Vergessen erfolgt, da sie einen Teil der gemeinsamen in der Retrospektive als positiv empfundenen Vergangenheit darstellen. Irma Markulins Heldinnen-Portraits sind in diesem Sinne ein Kontrapunkt zur fortschreitenden Absonderung und nationaler Abgrenzung seit den 90ern, die in Leugnung der eigenen Identität zu münden droht, und auch im internationalen Kontext zunehmender nationalistischer Selbstbezogenheit gelesen werden können.

Zu Irma Markulins Portraits schuf die Kölner Multimedia Künstlerin Karmen Frankl (geb. 1960 in Zagreb, Kroatien) mit Ihrem SoundSpace: Par-ti-sa-nin, einen 4-Kanal KlangRaum, der in der Galerie ortsspezifisch komponiert wurde. Sie arbeitet mit eigenen Assoziationen in Soundform, die ‚Heldinnen’ in Bezug nehmend. Einzelne Biografien werden akustisch in den Raum getragen; sie rufen Erinnerungen an die Jugendjahre hervor und kreieren ein Klangrefugium der Partisaninnen. Das Flüstern wahrt das gefährliche Geheimnis des Widerstands im Untergrund, der Schritte durch trockenes Herbstlaub. Akkordeonklänge – das Musikinstrument der Partisanenlieder – Namen und biografische Bruchstücke fügen sich ein. Dabei entstehen Klangbilder, die ein wesentlicher Bestandteil unseres Gedächtnisses sind. Sie zu erzeugen bedeutet das Sichtbarmachen des Unsichtbaren. Das Spürbarmachen einer Realität, die den Blicken entzogen ist – die Klangbilder der Erinnerung.

So entsteht in der Ausstellung ‚Heldinnen’ ein schwebend leichtes Zwischenspiel aus Licht und Sound, mit einem hellen Ausblick in die Zukunft, unter Rückbesinnung auf immer noch präsente Erinnerungen einer vergangenen Welt.

Text: krupic kersting, 2018

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