Irma Markulin

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„Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Bilder, Denkmäler…“, dieses Buch, das schon im Titel auf Marcel Prousts berühmten Roman-Zyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ anspielt, versucht genau dieses: sich auf die Suche machen, Spuren finden, das Verlorene, Vergessene in meinen persönlichen Erinnerungen, der Geschichte meiner Familie und dem kollektiven Gedächtnis jenes Landstriches, den man einmal Jugoslawien nannte, wieder zu finden und mit ikonischen Bildern zu unterlegen. Dieses Photobuch versteht sich als eine Studie, die sich in seiner Analyse und der Darstellung der in diesem gezeigten Photographien am Schnittpunkt kunstgeschichtlicher und historischer Fragestellung befindet.

Für die Akkumulierung des Bildmaterials habe ich in Archiven nach Fotografien gesucht, die ein tieferes Verständnis der Situation und der Konflikte im jugoslawischen Raum verschaffen können. Künstler aus allen Teilstaaten des ehemaligen Jugoslawiens thematisieren immer wieder auf sehr unterschiedliche Art das Thema der NOB Monumente. Die künstlerische Verarbeitung des Sujets reicht dabei von bitterbösem Zynismus bis hin zur Nostalgie, oszilliert zwischen Begeisterung und Ekel. Dieses Photobuch versucht seinen Leser auf eine Reise mitzunehmen, die bis zurück zu den Ursachen der Errichtung dieser Monumente führt, und lässt ihn teilhaben an ihrer Entstehung und den mit ihnen verbundenen Zeremonien. Gleichzeitig versucht es Antworten auf die Frage zu finden, wie diese abstrakte, skulpturale Form des Denk- oder Mahnmals gerade auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens entstehen konnte, für die sich in keinem sozialistischen Land Europas eine Entsprechung finden lässt. Mit ihrem innovativen und abstrakten Charakter zeigen diese Denkmäler keine Spur des Pathos, der üblicherweise die sozialistische Ästhetik vieler Kunstwerke prägt. Ganz im Gegenteil, sie zeigen die Spitze der Moderne in der jugoslawischen Kunst.

Durch die narrative Gestaltungsweise des Buches ergibt sich auch eine Antwort auf den grundlegend unterschiedlichen Umgang mit den Monumenten in den heutigen Ländergrenzen. Während die meisten Denkmäler in Kroatien heute dem Zerfall überlassen werden, erfahren sie im serbischen Teil Bosniens eine Form der Sakralisierung. Weitere Fragen, denen im Verlauf der Darstellung implizit und explizit nachgegangen wird, sind der von Land zu Land, manchmal sogar von Gegend zu Gegend unterschiedlich praktizierte Tito-Kult, bzw. seine Residuen, das Helden- und Opfertum und deren Rolle in der Erinnerungskultur, sowie die Frage nach der Veränderung der kollektiven Erinnerungen durch die Negierung der Denkmäler des alten Systems oder ihrer Bedeutungstransformation, die sie für das Nationale nutzbar machen soll.

I.M.

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