Irma Markulin

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KörperBau

Die Karl-Marx-Allee, der Palast der Republik, die Brücke von Mostar. Alle diese historisch mit ganz unterschiedlicher Bedeutung aufgeladenen Bauwerke liegen in den Armen einer jungen Frau. Schützend, fast behutsam werden sie von ihr gehalten. Der Blick, im Ganzen in sich ruhend, wendet sich mal dem Betrachter, mal dem Objekt zu.

Die Künstlerin Irma Markulin mischt in ihren Arbeiten kulturelle Kontexte ihrer Heimat Kroatien und ihres neuen Lebensumfelds Berlin. Dabei greift sie in dem hier zu sehenden Werkzyklus das kunstgeschichtliche Phänomen der Stadtpatrone auf. Bereits im 4. Jahrhundert war es üblich, für eine neu erbaute Kirche einen Heiligen als Schutzpatron auszuwählen und diesen dort besonders zu verehren. Im Mittelalter übertrug man diesen Brauch unter anderem auf Städte. So wählten dann die Bürger und Stadträte neben dem Kirchenpatron auch einen Stadtpatron, um ihre Stadt unter seinen besonderen Schutz zu stellen.

Vom Mittelalter bis weit in die Renaissance hinein wurde an Stadtmauern, öffentlichen Gebäuden und Kirchen häufig der Schutzpatron der Stadt plastisch abgebildet. Die Darstellung der Frau auf den Bildern, Selbstportraits der Künstlerin, ist vom Schutzpatron St. Blasius der kroatischen Stadt Dubrovnik abgeleitet. Sie, die nun selbst an der Stelle des Schutzheiligen steht, scheint uns als Betrachter darauf aufmerksam machen zu wollen, dass wir es sind, die all diesen Gebäude Schutz gewähren sollten.

Neben dem aufgegriffenen Kontext aus der Kunstgeschichte und dem Kontext ihrer Herkunft, stehen die Beziehungen ’Körper’, ’Raum und Architektur’ und ’Geschichte’ im Mittelpunkt der Arbeiten. Raum und Körper werden dabei vielschichtig aufgefasst: der menschliche und der architektonische (Bau-) Körper auf der zweidimensionalen Leinwand und ihre Wechselwirkung als Körper miteinander, der architektonische Körper losgelöst aus seiner Einbettung aus dem städtebaulichen Ensemble. Dazu tritt die Installation, der aus Styropor nachgebauten Bauwerke der ausgestellten Bilder. Die Doppelung lässt uns diese gleichzeitig noch einmal dreidimensional erleben. Die Installation stellt die Bauwerke außerdem in Beziehung zueinander und verfrachtet diese in ein fiktives Bauensemble losgelöst von Ihrem örtlichen Kontext.

Die Beziehung Architektur und Geschichte liegt in den für die Werke ausgewählten Bauwerken. Jedes von ihnen steht sowohl für eine historische Bedeutung, als auch für ein alltäglich sichtbares Phänomen im Umgang mit der Architektur, die oft ein dauerhaftes Erinnern an Vergangenes ist: die Brücke von Mostar als Ort der Erinnerung, der Palast der Republik als Objekt des Veschwindens, die Karl Marx Allee als ein architektonisches Ensemble, dass einer mehrfachen gesellschaftlichen Bedeutungstransformation unterzogen ist.

Text von Kuratoren Klaudija Sabo und Philipp Koch

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Ausstellungsansicht KörperBau 2008, Galerie ACUD, Berlin